Zeit verplempern für Fortgeschrittene

Man(n) muss sich auch mal entspannen. Ich jedenfalls. Nicht immer passen Lust, Zeit und Wetter für Jagdrevier, Motorrad, Schmieden, Schrauben oder Fischwasser. Einfach mal in der Bude hocken und sich ausruhen. Warum also nicht ein Computerspiel wie zum Beispiel World of Warcraft zocken? Mehr Niveau als stumpfsinnig in die Röhre zu glotzen hat das alle Mal…

Jawohl, den Klassiker gibt es immer noch. Die Zeiten, als World of Warcraft einen Rekord bei den weltweiten Spielerzahlen nach dem anderen erzielte, sind zwar vorbei. Aber immer noch gibt es die Mutter aller Massive Multiplayer Online Roll Playing Games. Und noch immer hat dieses Spiel seine Fans – und nicht zuletzt Männer.

Mann beim Zocken
Männer zocken gerne mal am Compi….(Bild von rawpixel.com auf Freepik)

Gut, ich gebe es zu: Ich zocke seit eineinhalb Jahrzehnten dieses Spiel. Mein Sohn hat mich seinerzeit angefixt. Auch der zockt noch World of Warcraft oder kurz WoW wie das Kürzel für das Spiel bei den Insidern lautet. Und er ist deswegen, genauso wenig wie ich, in der Gosse oder bei Hartz IV gelandet. Sowas!

World of Warcraft – Der Untergang des Abendlandes

Ich habe mehr als ein anderes Fantasy-MMORPG, so lautet die Abkürzung für diese Art von Spielen, ausprobiert. Geblieben bin ich bei World of Warcraft. Es ist eben das Original.

Als WoW jung war, wurde es in den Medien mit Heroin und Kokain verglichen. Man zeigte im Fernsehen Kids, die diesem Spiel hoffnungslos verfallen waren, Schule und soziale Kontakte vernachlässigten und keinerlei Perspektiven außer Zocken, Pizza aus dem Karton und Fettleibigkeit hatten. Mein Sohn hätte da auch gut dazu gepasst, er flog mit 16 aus dem Gymmie. Komisch nur, dass sein Vater auch mit 16 aus dem Gymmie geflogen ist, obwohl es damals kein WoW gab. Aber Mopeds, Mädchen und Bier.

World of Warcraft aktuell
Ein Screenshot aus dem Aktuellen WoW: Ein zwergischer Jäger mit seinem Begleiter, einem Bären. Im Hintergrund war einmal ein See, dessen Staumauer im Verlauf der Ereignisse der Hintergrundgeschichte zerstört wurde und…

Damals sah man im Fernsehen immer wieder dem Spiel verfallene Kiddies auf dem Wege nach ganz unten. Ich stell mir gerne mal vor, was man heute wohl finden würde, wenn man die heute besuchen würde. Vermutlich ähnliches wie bei meinem Sohn: Der hat nämlich mit einem Umweg über eine zweijährige Berufsfachschule und das Technische Gymnasium studiert und hat heute einen recht guten Job. Und zockt immer noch ganz gern World of Warcraft.

Einen ähnlichen Weg habe ich damals auch eingeschlagen. Nur dass ich zwischendurch auch noch zwei Gesellenbriefe erworben habe. Deswegen war ich auch etwas später mit dem Studieren dran als mein Sohn.

Übrigens waren, als ich ein Kind war, Comics der Untergang des Abendlandes und das Ende der Kultur. Heute sind sie eine anerkannte Kunstform und man findet sie sogar in Schulbüchern.

Die Geschichte der Spielwelt in Romanen

Hinter der Spielhandlung von World of Warcraft steckt eine komplexe Geschichte, ja eine ganze Weltgeschichte. Vor dem MMORPG gab es eine Reihe von Echtzeit-Strategie- und Aufbauspielen namens Warcraft, die vor dem Hintergrund der Ereignisse spielen, die vor der Zeit liegen, in der World of Warcraft angesiedelt ist.

Die wesentlichen Ereignisse der Geschichte des Planeten Azeroth und seiner Völker, der Orks, die vom Planeten Draenor stammen und der Draenei, die einmal Eredar hießen, finden sich in den Warcraft- und World-of-Warcraft-Romanen. Man muss sie nicht gelesen haben, um das Spiel zu spielen. Aber es macht Spaß, die Zusammenhänge zu kennen und zu wissen, wer bestimmte Personen sind, denen man im Spiel begegnet.

Entspannung für Fortgeschrittene

Ich verbringe mit World of Warcraft im Prinzip die Zeit, die andere Leute vor der Glotze verbringen. Ich entspanne mich dabei, auch, wenn es mir mal nicht so gut geht. Ehrlich gesagt, ich finde, dass das Zocken etwas mehr Niveau hat, als das stumpfe Glotzen in die Röhre. Man wird wenigstens intellektuell ein wenig gefordert. WoW ist nämlich kein Spiel für Doofe. Für die gibt es andere Spiele, bei denen man nicht die hellste Kerze auf der Torte sein muss. Für WoW jedoch braucht’s etwas Grips, zumindest für die Classic-Varianten. Das aktuelle Spiel ist sehr viel einfacher zu spielen. Leider hat WoW in dieser Hinsicht über die Jahre abgebaut und ist im Grunde primitiv im Vergleich zu Classic.

World of Warcraft Classic
… der in den Classic-Varianten noch vorhanden ist.

Ego Shooter stellen hohe Anforderungen an die Reaktionsfähigkeit und die Auge-Hand-Koordination. World of Warcraft kommt in dieser Hinsicht etwas weniger anspruchsvoll daher: Wenn man einen Gegner mit der Maus ausgewählt hat und in etwa in seine Richtung schaut, trifft man ihn auch. Es geht hier mehr darum, zu wissen, welche Kampftechniken man gegen welche Art von Gegner wann und in welcher Reihenfolge einsetzt. Und diese Kampftechniken sind ganz unterschiedlich, je nachdem ob man einen Jäger, Krieger, Hexenmeister oder sonst für eine Charakterklasse spielt.

World of Warcraft – Spiel und Stil

Der Hintergrund des Spiels sind der Konflikt der beiden großen Parteien, der Allianz und der Horde. Auch wenn sie als Kennfarben Blau und Rot haben – ein Schelm, der Schlimmes dabei denkt – sind die Roten, die Horde, nicht per se die Bösen. Beide versuchen lediglich, Ihre eigentlich legitimen Interessen durchzusetzen. Und beide haben zwei gemeinsame Feinde: Eine Dämonen-Armee, deren einziger Daseinszweck das Verderben von Welten ist. Und eine Art Ableger dieses üblen Haufens, ein Verein von Untoten, die Gifte mischen, die Menschen, Zwerge, Orks und was es sonst noch alles gibt in willenlose, halb verweste Zombies verwandeln.

Stil wie amerikanische Comics
Der Stil, in dem bei World of Warcraft Welt und Figuren dargestellt werden, erinnert an traditionelle amerikanische Comics…

Je nachdem, welche Rasse man für seinen Charakter, seine Spielfigur wählt, gehört man entweder der Allianz oder der Horde an. Das Universum, in dem World of Warcraft spielt, existiert sozusagen viele Male: Auf einer ganzen Reihe von Servern, auf denen das Spiel auch in verschiedenen Sprachen spielbar ist. Diese Server können entweder PvP-Server sein, auf denen man Spieler der anderen Partei in den meisten Gegenden der Spielwelt jederzeit töten kann, sein oder PvE-Server, auf denen man den feindlichen Spielern nur unter ganz bestimmten Umständen ans Leder kann. Beide Arten existieren auch als so genannte Rollenspiel-Server. Die funktionieren genauso wie die normalen Server. Es wird dort aber erwartet, dass man sich bei der Kommunikation mit anderen Spielern einer stilechten Sprache bedient.

Die Grafik von World of Warcraft, das ist bei dieser Art von Spielen üblich, sieht aus wie man das von Zeichentrickfilmen her kennt. Da solche Spiele oft aus Asien stammen, kommen sie gerne in diesem seltsamen asiatischen Comic-Stil daher. WoW hingegen ist im Stil älterer amerikanischer Comics gehalten. Einer der Gründe, warum es mein Lieblingsspiel ist.

Varianten und Zugang

World of Warcraft ist ein Spiel, für das man eine monatliche Spielgebühr von etwa 13 € bezahlt. Es gab eine Zeit lang Konkurrenten, die nach dem gleichen Muster arbeiteten. Sie blieben aber alle relativ erfolglos und stellten auf „Free to Play“ um. Bei diesem Modell spielt man zunächst umsonst, wird dafür aber innerhalb des Spiels gnadenlos abgezockt: Man muss nämlich für jeden Mist – Dinge die man angeblich nicht unbedingt braucht – einzeln bezahlen, wenn man vernünftig spielen will. Das kommt teurer als die monatliche Spielgebühr bei WoW. Auch bei World of Warcraft gibt es mittlerweile Dinge, die man extra kaufen kann. Die müssen aber tatsächlich nicht sein.

Freeshard Privatserver Rising Gods WoW
Die Website des WoW-Privatservers „Rising Gods“

WoW im Laufe der Jahre immer wieder erweitert und um neue Rassen, Klassen und Gebiete der Spielwelt erweitert. Mir gefiel es dann irgendwann nicht mehr und ich hörte auf, auf den „Offies“, den offiziellen, kostenpflichtigen Servern des Herstellers Blizzard zu spielen. Es gibt nämlich noch die Möglichkeit, auf so genannten Privatservern, auch Freeshards genannt, kostenlos zu spielen. Diese werden von Leuten gewissermaßen aus Liebhaberei betrieben. Dazu gleich noch mehr.

Auf den offiziellen Servern zu spielen, habe ich wieder begonnen, seitdem es World of Warcraft Classic gibt. Da sich immer mehr Spieler nach den alten Tagen des Spiels zurück sehnten, brachte Blizzard vor einiger Zeit WoW Classic heraus. Hier kann man die Grundversion ohne jede Erweiterung und die Grundversion mit den ersten beiden Erweiterungen – „The Burning Crusade“ und „Wrath of the Lich King“ spielen. Gestern habe ich mich von einer alten Bekannten aus World of Warcraft breitschlagen lassen, auch wieder die aktuelle Version zu spielen.

World of Warcraft auf Privatservern

Die Privatserver sind rechtlich eine fragwürdige Sache. Blizzard duldet sie, solange die Betreiber keine Gebühren verlangen. Der große Nachteil dieser Server ist, dass die weitaus meisten nur wenig Spieler haben. World of Warcraft lebt aber aus mehreren Gründen davon, dass möglichst viele Spieler gleichzeitig in der Welt unterwegs sind. Dafür sind ja MMORPGs gedacht. Ich habe lange Zeit auf einem der wenigen gut besuchten Freeshards gespielt, der sich „Rising Gods“ nennt.

Der Grund, warum ich auf diesem Privatserver gespielt habe, war dass auf ihm meine Lieblingsvariante des Spiels läuft: die Grundversion mit den ersten beiden Erweiterungen. Das ist übrigens auf den meisten Privatservern so. „Rising Gods“ bietet zudem noch die Grundversion mit der ersten Erweiterung an. Als Spielclient wird hier jeweils die Originalsoftware aus der Zeit verwendet, als die beiden Varianten aktuell waren. Daher kommt man hier mit recht bescheidener CPU- und Grafikleistung aus. Den Spielspaß mindert die etwas gröbere Grafik aber nicht.

WoW Freeshard alter Spielclient
Dass die Grafik bei der auf Freeshards verwendeten alten Version des Spielclients nicht so ausgefuxt ist wie bei der Classic-Version von Blizzard, sollte dem Spielspaß kaum Abbruch tun. Dafür kommt man auch mit viel weniger Power beim Rechner aus…

Die Classic-Varianten von Blizzard hingegen verwenden modernisierte Software, die weitaus höhere Rechenleistung bei CPU und Grafikprozessor verlangt. Ohne Core i5 und einer einigermaßen brauchbaren Grafikkarte geht hier nichts.

Gemeinsam spielen

World of Warcraft ist ja dafür gedacht, dass man es gemeinsam spielt. Das wohl wichtigste Instrument dafür sind die Gruppe und die Gilde. Spieler können sich temporär zu Gruppen zusammenschließen, um Aufgaben zu erledigen, die ein einzelner Spieler nicht bewältigen kann. Oder einfach nur, um gemeinsam Spaß zu haben. Um sich mit Spielern zusammenzuschließen, mit denen man gerne zusammen spielt, gibt es die Möglichkeit, eine Gilde zu gründen, eine Art Club. Die Möglichkeit, temporäre Gruppen zu bilden, wird dadurch aber nicht beeinträchtigt.

MMORPG WoW Sturmwindn
Ein MMORPG lebt davon, dass nicht nur man selbst und die computergesteuerten Charaktere unterwegs sind, sondern auch andere Spieler.

Kommunizieren kann man in WoW über den eingebauten Tastatur-Chat. Es gibt verschiedene Kanäle, so hat zum Beispiel auch jede Gilde einen eigenen. Es gibt mittlerweile auch einen Sprach-Chat. Man kann aber auch einen externen Voice-Chat verwenden wie zum Beispiel Team Speak.

Man spielt mit Leuten, die man beim Spielen kennen gelernt hat oder auch mit solchen, die man aus dem richtigen Leben kennt. Ich zum Beispiel habe so manchen Abend mit einer ehemaligen Lebensgefährtin zusammen im Warcraft-Universum verbracht. Die aktuelle Version von World of Warcraft spiele ich seit gestern in einer Gilde, deren Leiterin ich seit über 14 Jahren kenne. Vom World of Warcraft spielen.